Das neue Garmin Oregon 600/650
Immer wieder wurde die Markteinführung beim neuen Garmin Oregon verschoben. Als wir den ersten Prototypen in den Händen hielten, haben wir uns wirklich auf das Gerät sehr gefreut. Obgleich uns damals schon der fehlende Schutz beim Display aufgefallen ist. Nach unserem ausgiebigen Test war es eher ein Zufall, dass wir das neue Oregon nun doch nur mit deutlichen Einschränkungen empfehlen können. Marko Reichelt hat sich das Oregon 600 genau angeschaut.
Rund fünf Jahre ist es her, dass Garmin die ersten Oregon-Modelle vorstellte. Es waren die ersten Touchscreen-Modelle auf dem Massenmarkt und Garmin war damit ein großer Verkaufserfolg beschieden. In den Folgejahren veröffentlichten auch die Mitbewerber immer neuere und bessere GPS-Geräte und der Vorsprung von Garmin schien zu schmelzen. Mit den neuen Oregon-Modellen, gespickt mit zahlreichen Neuerungen, setzt Garmin nun ein Ausrufezeichen und dürfte die eigene Marktposition weiter ausbauen.
Der erste Eindruck
Das neue Oregon kommt in einer schlanken, halbtransparenten Verpackung daher. Wie bei Garmin üblich ist der Lieferumfang eher bescheiden. Neben dem Oregon selbst, befindet sich ansonsten nur ein USB-Kabel, der obligatorische Karabinerhalter und eine Kurzanleitung im Karton.
Den ersten Aha-Effekt gibt es beim Anfassen des Gerätes. Das neue Oregon liegt wirklich extrem gut in der Hand. Trotz fast identischer Abmessungen und einem leichten Gewichtszuwachs ist der haptische Eindruck noch ein wenig besser als beim Vorgänger. Auch optisch kann das Oregon 600 überzeugen. Das Displayglas nimmt die gesamte Vorderseite ein, wobei um das eigentliche Drei-Zoll-Display noch ein breiter schwarzer Rand vorhanden ist. Die Konzentration auf ein schlankes, flaches Design gefällt, allerdings geht sie zu Lasten des Displayschutzes. Beim Vorgänger war das Display noch versenkt und wurde durch den Kunststoffrahmen geschützt. Beim Oregon 600/650 bildet das Display mit dem schmalen Gehäuserahmen fast eine Ebene.
Technik
Beim Einschalten des Geräts dann der nächste Aha-Effekt. Trotz identischer Displayauflösung, wirkt das Display im Vergleich zum Vorgänger brillanter, heller und besser aufgelöst. Im Freien verstärkt sich dieser Eindruck nochmals, denn niemals war ein Display bei direkter Sonneneinstrahlung besser ablesbar. Neu ist ebenfalls, dass sich das Display nun automatisch in der Hochkant- oder Queransicht ausrichtet. Gerade bei der Navigation im KFZ dürfte sich die Queransicht als nützlich erweisen. Hat man das Oregon beispielsweise am Gürtel befestigt und schaut auf das Display dauert es oft noch ein bis zwei Sekunden bis sich dieses korrekt ausrichtet. Man kann die Displayausrichtung aber auch fixieren. Auch die Bedienung des kapazitiven Touchscreens geht hervorragend von der Hand. Dieser reagiert leicht und schnell und kann sogar mit Handschuhen benutzt werden. Im Praxistest funktionierte das ausgesprochen gut, auch wenn prinzipbedingt manchmal die Präzision ein wenig leidet.
Neuerungen gibt es auch beim Akku. Das Oregon kann zwar weiterhin mit AA-Batterien oder Akkus betrieben werden, zusätzlich bietet Garmin aber auch ein NiMH-Akkupack an. Vorteil dieses rund 25 Euro teuren Akkupacks ist, dass es auch bequem im Gerät geladen werden kann. Auf die Laufzeiten dürfte sich der Einsatz des Akkupacks eigentlich nicht auswirken, denn technisch gesehen, sind es auch nur zwei AA-Akkus mit einer Kapazität von je 2.000 mAh.
Bei den Schnittstellen gibt es ebenfalls Veränderungen zum Positiven. Neben der üblichen USB-2.0-Schnittstelle und der ANTPlus-Unterstützung ist das neue Oregon erst das zweite Gerät im Garmin-Portfolie welches auch über eine Bluetooth-Schnittstelle verfügt. Garmin verwendet den „Bluetooth low energy”-Standard, sodass sich der Einsatz nur im geringen Umfang auf die Akkulaufzeit auswirkt. Besonders interessant ist Bluetooth, weil es die Synchronisation von Wegpunkten, Tracks, Geocaches etc. mit der Garmin Cloud erleichtert. Interessant ist auch das Zusammenspiel mit der BaseCamp Mobile Software. Die kostenlose App ist derzeit nur für iOS-Geräte erhältlich, eine Android-Version soll aber auf kurz oder lang ebenfalls folgen. BaseCamp Mobile erlaubt eine leichtere Verwaltung und Bearbeitung von Routen oder aufgezeichneten Tracks, als das direkt auf dem Oregon möglich ist.
Neben dem Empfang von GPS-Satelliten unterstützt das neue Oregon auch das russische Glonass-System. Vor allem in stark bewaldeten Gebieten oder zwischen Häuserschluchten bietet der parallele Einsatz von Glonass genauere Positionsangaben, als im GPS-only-Betrieb. Bei der parallelen Verwendung von GPS und Glonass steigt allerdings der Akkuverbrauch geringfügig an. Im Test sank die Laufzeit um rund zehn Prozent.
Selbstverständlich verzichtet Garmin nicht auf einen barometrischen Höhenmesser und einen elektronischen Drei-Achsen-Kompass.
Die Speicherausstattung des Oregon hängt davon ab, welches Modell man wählt. Das Oregon 600 verfügt über einen 2 GB großen internen Speicher, welcher sich beim 600t auf vier GB verdoppelt. Ähnlich ist es beim Oregon 650: Hier gibt es 4 GB Speicher und das t-Modell verfügt dann über 8 GB Speicherplatz für Tracks, Wegpunkte, Geocaches und Karten. Zusätzlich ist bei allen Modellen der Speicher mit microSD-Karten (bis 32GB Größe) erweiterbar. Neu ist, dass die Anzahl der Geocaches auf dem Gerät nicht mehr beschränkt ist. Solang es der Gerätespeicher hergibt, können Caches gespeichert werden. Garmin unterstützt auch das neue GGZ-Dateiformat. Vorteil des komprimierten GGZ-Formats ist, dass eine GGZ-Datei nicht auf 1.000 Caches beschränkt ist. GGZ-Dateien kann man beispielsweise mit GSAK erstellen und selbst mit GGZ-Dateien, die 10.000 Caches enthalten, hat das Oregon keinerlei Probleme.
Auch die maximale Anzahl gespeicherter Wegpunkte wurde erweitert. Statt 2.000 Wegpunkte, sind es nun 4.000, die auf dem Gerät gespeichert werden können.
Größter Unterschied des 70 Euro teureren Oregon 650 ist die verbaute Acht-Megapixel-Kamera. Die Autofocus-Kamera verfügt über einen LED-Blitz der auch als Taschenlampe verwendet werden kann. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses lag uns lediglich ein Oregon 600-Testgerät vor, sodass wir zur Qualität der Kamera noch keine Aussagen treffen können. Entsprechende Beispielbilder werden wir aber zeitnah unter www.gcmag.de/oregon nachreichen.
Praxis
Das Menü und die gesamte Bedienung wurden optimiert aber nicht neu erfunden. Wer also bereits ein Garmin genutzt hat, wird sich schnell zurechtfinden. Generell entspricht die Bedienung der des Montanas, die ja bereits eine gute Verbesserung im Vergleich zum Oregon darstellte. Neben dem Touchscreen als zentralem Bedienelement verfügt das Oregon noch über zwei Hardwaretasten auf der rechten Seite. Beide Tasten, auch die Ein/Aus-Taste, können relativ frei mit bestimmten Aktionen und Befehlen belegt werden.
Da Garmin nun einen kapazitiven Touchsreen verwendet, kann dieser nun auch mit Gesten gesteuert werden. Das Zoomen und Drehen der Karte nur mit
Fingergesten funktioniert auf dem neuen Oregon ebenso gut wie auf einem Smartphone.
Wie auch bei vorherigen Modellen, unterstützen auch das Oregon 600 und 650 Profile für verschiedene Aktivitäten. Je nach gewähltem Profil verändert sich das Layout des Reisecomputers und des Menüs. Darüber hinaus können die Profile aber auch völlig individuell angepasst werden. Eine umfassende Renovierung hat auch der Geocaching-Modus erhalten. Die Geocaching-Funktionalität wurde verbessert und vor allem an vielen Kleinigkeiten merkt man, dass Garmin das Feedback der Nutzer entsprechend ausgewertet und berücksichtigt hat.
Die Navigation zu Caches oder einzelnen Stages von Multi-Caches klappt spielend leicht. Bedingt durch den verbesserten Touchscreen ist nun auch das Scrollen in langen Cachelistings und Geocachelisten ein Kinderspiel. In der aktuellen Softwareversion (2.70) konnten wir dann aber größeren Fehler entdecken. So war es nicht möglich die Cacheliste unter verschiedenen Parametern zu filtern. Merkwürdigerweise funktioniert das, sobald das Gerät auf englische Menüsprache umgestellt wurde. Helleres und besseres Display, Glonass-Unterstützung, Bluetooth – all das sind Features die sich auch auf den Akkuverbrauch auswirken. Garmin gibt zwar weiterhin eine Akkulaufzeit von bis zu 16 Stunden an, in der Praxis dürfte dieser Wert aber kaum erreichbar sein. Bei einer ersten Testtour verwendeten wir das Oregon 600 mit zwei Eneloop-Akkus von Sanyo. Bei permanenter Trackaufzeichnung, laufender Navigation zu verschiedenen Geocaches und sporadischem Einsatz der Displaybeleuchtung erreichten wir eine Laufzeit von sechs Stunden und zehn Minuten bis sich das Gerät abschaltete. Das ist in jedem Fall weniger als bei den Vorgängermodellen, geht aber dennoch in Ordnung. Eine deutlich bessere Laufzeit erreichten wir im Test mit 2.850 mAh Hochleistungs-Akkus von Ansmann. Bei ähnlichem Nutzungsprofil wie zuvor, erreichten wir hier bereits eine Laufzeit von acht Stunden und 20 Minuten. Allerdings ist bei solchen Akkus wieder die recht schnelle Selbstentladung ein Nachteil.
Kartenmaterial
Ausgeliefert werden alle neuen Oregon-Modelle mit einer weltweiten Garmin Basiskarte. Diese ist für einen ersten Überblick durchaus brauchbar und bildet zumindest alle wichtigen größeren Straßen ab. Das Oregon 600t und 650t haben zusätzlich die Garmin Freizeitkarte Europa im Maßstab von 1:100.000 vorinstalliert. Diese ist schon deutlich detailgenauer als die Basiskarte, kann aber dennoch nicht mit der Garmin Topo 2012 oder einer guten OpenStreetMap-Karte mithalten. Auch ist sie nicht routingfähig. Unserer Meinung nach, lohnt sich der Aufpreis von rund 70 Euro zum jeweiligen t-Modell nicht. Mit einer aktuellen OpenStreetMap-Karte, die man kostenlos im Internet herunterladen kann, dürfte den meisten Nutzern mehr geholfen sein.
Ein jähes Testende
Kurz vor Abschluss dieses Tests passierte es. Kurz auf einer Parkbank abgelegt, landete das Oregon durch eine unachtsame Bewegung mit dem Rucksack auf dem Boden. Die Fallhöhe betrug nur rund 40 Zentimeter und das Oregon landete direkt auf dem Display. Beim Aufheben dann der Schreck: Das Display wies einen erheblichen Sprung auf. Zwar ließ sich der Touchscreen noch bedienen, aber das Ablesen wurde doch erheblich erschwert und letztendlich wird man in so einem Fall nicht um eine kostenpflichtige Reparatur beim Garmin-Service herumkommen.Auch wenn hier eventuell einige unglückliche Umstände zusammentrafen, bei einer so niedrigen Fallhöhe dürfte unserer Meinung nach ein solcher Schaden bei einem Outdoor-Gerät nicht auftreten. Es könnte sich rächen, dass Garmin auf eine schützende Displayumrandung verzichtet hat und auch die Verwendung von Hartglas
für den Touchscreen könnte ein Nachteil sein.
Fazit
Bis zum Vorfall am Ende unseres Tests hätte das Garmin ein ausnahmslos positives Urteil bekommen. Das Gerät weiß wirklich zu gefallen, ein tolles Display, sehr gute Bedienbarkeit, hohe Geschwindigkeit und viele kleine durchdachte Neuerungen machen echt Spaß. Zwar gibt es in der aktuellen Softwareversion gelegentliche Abstürze und auch einige Fehler sollten noch ausgemerzt werden aber verglichen mit früheren Produktvorstellungen, läuft das neue Oregon erstaunlich stabil. Neue Software-Updates sollten hier aber weitere Besserung bringen. Nur einmal ist uns das Gerät gefallen und schon hatten wir einen Displaybruch. Das hat uns schon sehr erschrocken, weil 40 Zentimeter nicht hoch sind. Das altgediente Redaktions-Oregon 450 hat da schon ganz andere Stürze und unsanfte Ereignisse mitmachen müssen und – abgesehen von ein paar Kratzern – sieht es optisch noch ganz gut aus.
Den kompletten Test mit allen Infografiken und Bildern findet Ihr im Geocaching Magazin 4/2013!